Der freie Mensch. Atlas Shrugged by Ayn Rand

Der freie Mensch. Atlas Shrugged by Ayn Rand

Autor:Ayn Rand [Rand, Ayn]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783949522024
Herausgeber: thinkum Verlag
veröffentlicht: 2021-11-04T00:00:00+00:00


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Sein Rücktrittsschreiben lag auf dem Schreibtisch vor ihm – und James Taggart saß da und starrte es an, zusammengekrümmt vor Hass. Er fühlte sich, als sei dieses Stück Papier sein Feind, nicht die Worte darauf, sondern das Blatt und die Tinte, die den Worten eine physische Endgültigkeit verliehen. Er hatte Gedanken und Worte immer als mehrdeutig betrachtet, aber auf Papier fixiert nahmen sie jene Form an, der er Zeit seines Lebens zu entkommen versuchte: Sie wurden zu einer Verpflichtung.

Er hatte nicht beschlossen, als Präsident der Bahngesellschaft zurückzutreten – jedenfalls nicht wirklich, dachte er; den Brief hatte er, wie er es sich selbst erklärte,»nur für den Fall« diktiert. Er empfand ihn als eine Form des Selbstschutzes; aber er hatte ihn noch nicht unterschrieben, und damit schützte er sich gegen den Schutz. Der Hass richtete sich auf seine dunkle Ahnung, dass dieses Verhalten nicht mehr lange funktionieren würde.

Um acht Uhr morgens hatte er die Nachricht von der Katastrophe erhalten; gegen Mittag war er ins Büro gekommen. Ein Instinkt, dessen Gründe er kannte, aber mit aller Kraft nicht kennen wollte, hatte ihm gesagt, dass er dort sein musste, dieses Mal.

Die Männer, die seine gezinkten Karten gewesen waren – in einem Spiel, auf das er sich verstand –, hatten sich aus dem Staub gemacht. Clifton Locey verschanzte sich hinter der Diagnose eines Arztes, der behauptete, bei Mr. Loceye in schweres Herzleiden festgestellt zu haben, weswegen man ihn auf keinen Fall stören dürfe. Einer von Taggarts zwei Direktionsassistenten war gestern Abend angeblich nach Boston abgereist, und der andere war, so sagte man ihm, plötzlich und unerwartet ans Krankenbett seines Vaters gerufen worden, der in einem nicht näher bezeichneten Krankenhaus lag. Im Haus des Chefingenieurs ging niemand ans Telefon. Und der Pressesprecher war unauffindbar.

Als er durch die Straßen zu seinem Büro fuhr, hatte Taggart die schwarzen Buchstaben der Schlagzeilen gesehen. Als er durch die Flure von Taggart Transcontinental ging, drang aus einem der Büros die Stimme eines Radiomoderators. Sie hatte einen Klang, wie man ihn in finsteren Straßenecken erwartet: Es war die lautstarke Forderung nach der Verstaatlichung der Eisenbahnen.

Er war über die Flure gelaufen, mit möglichst lauten Schritten, um gesehen zu werden, aber so schnell, dass ihm möglichst niemand zu nahekam und Fragen stellte. Er hatte die Tür seines Büros hinter sich zugeschlagen und seinen Sekretär angewiesen, niemanden zu ihm vorzulassen und keine Anrufe durchzustellen. Mr. Taggart sei sehr beschäftigt, sollte er sagen.

Dann saß er an seinem Schreibtisch, allein mit seinem blanken Entsetzen. Er fühlte sich wie in einem unterirdischen Verlies gefangen, dessen Schloss festverriegelt war– und wo er sich doch vor den Augen der ganzen Stadt zur Schau gestellt fühlte und hoffte, dass das Schloss bis in alle Ewigkeit halten würde, damit niemand zu ihm vordringen konnte. Er musste hier in diesem Büro sein. Das verlangte man von ihm. Er musste untätig dasitzen und warten – darauf warten, dass das Unbekannte über ihn hereinbrach und ihm diktierte, was zu tun war. Sein Entsetzen galt sowohl der Ungewissheit, vor wem und wie er sich würde verantworten



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